„Ich bin ein Manischer,“ hat Pierre Klossowski, Philosoph, Schriftsteller, Zeichner und vieles mehr einmal geschrieben. „Jedes meiner Werke, welches es auch sei, hat am Ursprung eine Manie.“ Ein Befund, der in einer veränderten existentiell-gesellschaftlichen Gemengelage auch für Rade Petrasevic zutreffen dürfte. Beide Künstler stellen sich dem Körper, sowohl unter den Bedingungen seiner Integrität wie auch jenen der Verstümmelung, verhandeln Gegenwart und Abwesenheit des Erotischen und die Mysterien von Geheimnis und Gewalt. In zwei Arbeiten von Klossowski im Rahmen dieser Ausstellung ist, zart hingetupft und in delikat ausgebleichter Farbgebung, Roberte zu sehen, seine Chiffre für das enigmatische Weibliche, dem die Lust aufgezwungen wird und das mit Schweigen repliziert. Hier inkarniert sich die Vorstellung des Künstlers, dass “der Fleischesakt stets die Vorstellung des Bösen einschließt.”
Eine weitere Zeichnung trägt den Titel „Socrate interrogeant le jeune Charmide“ und zeigt den Kopf des Philosophen zwischen den Beinen des jungen Mannes nahe seinem Geschlecht – ein wenig wie das abgeschlagene Haupt des Johannes, das Salome auf einem Silbertablett serviert wird.
Klossowskis Ansatz, „dass die Formen der wollüstigen Emotion eine zugleich geheime wie tragische Verbindung zu der anthropomorphen Erscheinung der Ökonomie und des Tausches verraten” wird von Rade Petrasevic, wenn auch mit anderen künstlerischen Darstellungsmitteln und einem anderen Narrativ aufgenommen und weiterdekliniert. In seinen neuen Arbeiten, die hier im Dialog mit Klossowski stehen, ist die Palette im Vergleich zu früheren farbintensiven Werken deutlich reduziert. Es dominieren wenig Töne, mal rot, mal blau, mal grün vor schwarzem oder hellviolettem Hintergrund. Motivisch bleibt Petrasevic teilweise dem Stillleben treu, wobei sich in die auf Tischen arrangierten Objekte manchmal Vanitas-Memorabilien wie Totenschädel und abgeschlagene Füße mischen. Andere Bilder zeigen in groben Strichen ausgeführte schwarze Körper – wobei schwarz hier keine Rassenzuschreibung meint, sondern eine koloristische Manier, die den Arbeiten eine durchaus metaphorisch zu verstehende ‘noir’- Tönung unterschiebt. Ohne dass dies explizit zum Ausdruck gebracht würde, schwingt hier die Fetischisierung des Leibes mit:
Er wird in seiner Vielgestalt zwischen Submission, Vulnerabilität und hingeschlenzter Lässigkeit zur Währung und zum Emblem, mit dem ein symbolischer Tausch vollzogen werden könnte – oder der Tod ins Auge gefasst wird. Ein Oszillations- und Halluzinationsspiel zwischen Sex, Satire, Schmerz und tieferer Bedeutung, das beide Künstler mit den ihnen je eigenen Mitteln zur szenographischen Darstellung bringen. Oder in den Worten Klossowskis: “Als Simulacrum ist das Phantasma fortpflanzungsfähig.”
(Thomas Miessgang, 2020)
“I am a maniac”, Pierre Klossowski, philosopher, writer, artist and much more, once wrote. “Every one of my works, whatever it may be, has obsession as its origin.” An opinion that, in an altered existential-social melange, ought to apply to Rade Petrasevic as well. Both artists confront the body, both under the conditions of its integrity as well as that of mutilation, they negotiate the presence and absence of the erotic and the mysteries of secrets and violence. In two works by Klossowski in the context of this exhibition, gently dabbed on and in delicately bleached out coloration, can be seen Roberte, his cipher for the enigmatic female, upon whom lust is imposed and who replicates it with silence. Here, the notion of the artist that “the coition always involves the concept of evil” is instantiated.
Another drawing bears the title, “Socrate interrogeant le jeune Charmide” and shows the head of the philosopher between the legs of the young man near his genitals – a little like the severed head of John the Baptist that is served to Salome on a silver tray.
Klossowski’s statement that “the forms of the sensual emotions betray an equally secret as well as tragic relationship to the anthropomorphic appearance of the economy and of exchange,” is taken up and further declined by Rade Petrasevic, although with different artistic means of representation and with another narrative. In his new works that enter into a dialogue with Klossowski, the palette is substantially reduced in comparison with earlier, more colour-intensive works. A few tones dominate, sometimes red, sometimes blue, sometimes green against a black or reddish-purple background. In terms of motif, Petrasevic partially remains true to still life, whereby in the objects arranged on tables sometimes vanitas memorabilia such as skulls and severed feet are mixed in. Other images display black bodies accomplished in large strokes – whereby here black does not imply a racial attribution, but is instead a coloristic manner that insinuates a ‘noir’ tinge that is to be understood as completely metaphorical. Without expressing this explicitly, the fetishisation of the body resonates here:
In its variation between submission, vulnerability and casual nonchalance, it becomes currency and an emblem with which a symbolic exchange could be consummated. An oscillation- and hallucination game between sex, satire, pain and deep significance, which both artists bring into a scenographic representation, each with their own means. Or in the words of Klossowski: “As a simulacrum, the phantasma is capable of procreation.”
(Thomas Miessgang, 2020, translated by Sarah Cormack)