Walead BESHTY | Gwenneth BOELENS | Olivia COELN | Marta DJOURINA |
Barbara HAINZ | Renato LEOTTA | Alexandra NAVRATIL | Christoph WEBER
BLACK
MAGIC, der Titel der Ausstellung, referenziert zum einen auf den Namen
der bekannten, flüssigen Fotoemulsion, die das dauerhafte Auftragen
lichtempfindlicher fotografischer Schichten auf nahezu jede Oberfläche
ermöglicht. Doch es geht um mehr: um die Vorstellung der
alchemistischen Verwandlung eines banalen Materials in ein illuminiertes
Zauberding, das die Schöpferkraft von der Apparatur emanzipiert und
gleichzeitig die Hervorbringungen des Universums der technischen Bilder
zu Inskriptionsflächen des eigenen Wahns und des eigenen Sinnes macht.
Die
Fotografie wird im Allgemeinen als apparative Kunst gesehen: Zwischen
die Wirklichkeit, die repräsentiert werden soll und den gestaltenden
Willen des Fotografen, schiebt sich die Kamera als magisches Instrument,
das durch die Belichtung fotochemischen Papiers und im Zusammenspiel
mit Atelier und Fotolabor ein durch Kadrage und Lichtsituation
definiertes Bild dessen, was der Fall ist, liefert. Es geht somit um
eine medial vermittelte Kulturtechnik, welche die Realisierung einer
künstlerischen Vision in einem symbiotischen Zusammenschluss von Mensch
und Maschine ermöglichen soll. Damit aber wird jener
Authentizitätsmythos untergraben, der dem Künstler eine
entelechetische Kraft zuschreibt, die auf unmittelbare Entfaltung
jenseits der Beschränkungen des Heidegger’schen ‘Gestells’ drängt.
„Der Mensch ist nach dem Ebenbild Gottes geschaffen“, schrieb Max
Dauthendey in seinem Aufsatz ‘Des Teufels Künste’ und “Gottes Bild kann
durch keine menschliche Maschine festgehalten werden.“ Es mag mit
diesem technophoben Thread zusammenhängen, dass es, spätestens seit
den Fotogrammen von Man Ray und Laszlo Moholy-Nagy, auch eine
langjährige Avantgarde-Tradition der kameralosen Fotografie gibt:
Direkte Einschreibungen in das Filmmaterial durch Ritzungen,
Mehrfach-Überblendungen und Belichtungseffekte, die das im Zeitalter
der technischen Reproduzierbarkeit prekär gewordene Original auf andere
Weise wiedererstehen lassen. Die acht Künstlerinnen und Künstler, die
in der Ausstellung BLACK MAGIC vertreten sind, nähern sich der
kameralosen Ästhetik auf jeweils individuelle Weise:
WALEAD
BESHTY’s Fotoserie ‘Six-Sided Picture’ erscheint auf den ersten Blick
wie eine Reihe abstrakter Gemälde. Die Arbeiten entstanden jedoch,
indem lichtempfindliches und unterschiedlich gefaltetes Papier dem
Sonnenlicht ausgesetzt wurde. „Das Material ist gleichermaßen Referent
und Objekt, Negativ wie dessen Trägermaterial.“
Bei den Werken
von MARTA DJOURINA handelt es sich meist um Direktbelichtungsverfahren
und Lichtzeichnungen, bei denen sie manchmal auch auf kameraähnliche
Instrumente zurückgreift. Ihre Serie ‘Sol’ nutzt die Sonne als
Belichtungsquelle, die gebündelt durch eine Lupe sich im wahrsten Sinne
des Wortes in das Papier einbrennt.
RENATO LEOTTA nutzt
hingegen das schwache Licht des Mondes für seine Langzeitbelichtungen.
Durch den Verzögerungsfaktor wird nicht nur eine Wasserbewegung
abgebildet, vielmehr kommt es zu Überlagerungen. Nicht nur das Motiv,
sondern auch das Vergehen der Zeit werden in den abstrakten Figurationen
abgebildet.  GWENNETH BOELENs Arbeit ‘Housing’ geht zurück zum
Ursprung der Fotografie. Die Kassette ist eine Vergrößerung der Hülle,
die gewöhnlich verwendet wird, um Daguerreotypen aufzubewahren: eines
der frühesten fotografischen Verfahren, erfunden von Daguerre in den
1830er Jahren. Die Kupferplatte, die normalerweise als Bildträger
fungiert, wird vom Rahmen abgehoben und zur Seite gelegt. Der Behälter
wird zu einem Container für Ideen, mit dem diese dauerhaft versiegelt
werden können.
BARBARA HAINZ untersucht in Ihren Arbeiten das
Verhältnis von Fotografie und Erinnerung, das fotografische Bild als
Speichermedium. Aus ihrem persönlichen Archiv werden Bilder nach
persönlichen Kategorien ausgewählt, dann in Schichten
übereinandergelegt und in Wachs eingeschlossen. Dadurch erscheinen die
konkreten Erinnerungen wie hinter einem Schleier und werden im
Freud’schen Sinn als Matrizen für eine unterbewußte Erinnerung
palimpsestartig übereinander gelegt.
ALEXANDRA NAVRATILs Serie
‘Bitterfeld’ besteht aus schwarzen Epoxid – Reliefs, die die Abdrücke
von Blättern, Steinen, Zweigen, Rinden, Beeren, Nüssen und Blumen
zeigen. Gesammelt wurden die organischen Materialien rund um den
Silbersee in Bitterfeld-Wolfen. Dieses chemisch stark verseuchte Gebiet
in Deutschland wurde in den 1990er Jahren aufgrund der Kontamination aus
den angrenzenden Branchen und der AGFA-ORWO-Film Fabrik auf Jahre
hinaus verseucht . Die heutige Vegetation trägt immer noch verdünnte
Spuren dieser früheren Belastungen. Die aus einer chemischen Reaktion
von Silbernitratlösung, Sauerstoff und Licht entstehenden Reliefs sind
überdimensionierte, dreidimensionale, fotografische Platten. Bei der
digitalen Bildbearbeitung besteht die Absicht darin, die ursprünglichen
Bedeutungen und Konnotationen zu neutralisieren.
Indem OLIVIA
COELN die gesammelten Fragmente ihrer Bilder aus ihren ursprünglichen
Einstellungen isoliert, werden sie erst entwertet und dann neu gesetzt.
Die Geschichte und Provenienz des ursprünglichen Ortes wird bei jeder
Transformation weitertradiert.
CHRISTOPH WEBER unterwirft in
seiner Arbeit den Blick der Logik des Apparativen, ausgehend von einem
50mm Objektiv – diese Brennweite entspricht der Sichtweite des Auges.
Die Arbeit verwandelt den aus der Renaissance kommenden Sehkegel in
seine medial hypostasierte Version: die ‘Sehpyramide’.
BLACK MAGIC, the title of the exhibit, refers on the one hand to the
name of the well-known, fluid photo emulsion which enables
light-sensitive photographic coatings to be permanently applied to
almost any surface. Yet more is involved: the idea of the alchemical
transformation of a mundane material into an illuminated magical element
that emancipates creativity from the equipment, and at the same time
turns the products of the universe of technical images into inscribed
surfaces of their own illusion and their own meaning.
Photography
is generally viewed as an instrument-based form of art: the camera
moves between the reality that is to be represented and the creative
will of the photographer; the camera as a magical instrument which, by
means of the exposure to light of photochemical paper and in cooperation
between atelier and photo lab, delivers an image, defined by Kadrage
and lighting situation, of that which is the case.
It therefore
has to do with a cultural technology transmitted by media, which should
allow the implementation of an artistic vision in a symbiotic merging of
man and machine. Thereby, however, that myth of authenticity is
subverted which ascribes to the artist an entelechial power, a power
that forces the immediate unfolding beyond the constraints of
Heidegger’s ‘enframing’. In his essay “The Devil’s Arts”, Max Dauthendey
wrote, “Man is created in the image of God”, and “the image of God
cannot be captured by any human machine.” There might be a connection
with this technophobic thread, that there is also a long-standing avant-
garde tradition of camera-free photography, at least since the
photograms of Man Ray and Laszlo Moholy-Nagy: direct registering into
the film material by means of scratching, multiple cross-fades, and
exposure effects that enable the original – which has become precarious
in the era of technical reproducibility – to rise again in another way.
The eight artists who are represented in the exhibition BLACK MAGIC
approach the camera-free aesthetic each in their own individual manner:
WALEAD
BESHTY’s photo series ‘Six-Sided Picture’ appears at first glance like a
succession of abstract paintings. The works were created, however, by
light-sensitive and variously folded paper being exposed to sunlight.
“The material is equally referent and object, negative like its
substrate.”The works of MARTA DJOURINA are mostly concerned with
procedures of direct exposure and light drawings, with which she
sometimes reverts to camera-like instruments. Her series ‘Sol’ uses the
sun as a source of exposure, which focussed through a magnifying glass
burns into the paper in the truest sense of the word.
RENATO
LEOTTA, in contrast, employs the weak light of the moon for his time
exposures. Due to the factor of delay, not only is a water movement
depicted, but rather, superimpositions result. Not only is the motif
reproduced in the abstract figurations, but also the passage of time.
GWENNETH
BOELEN’s work returns to the origins of photography. The cassette is an
enlargement of the cover which was commonly used to store
daguerrotypes: one of the earliest photographic processes, invented by
Daguerre in the 1830s. The copper plate, which normally functions as an
image carrier, is lifted off the frame and placed aside. The container
becomes a receptacle for ideas, a receptacle within which these ideas
are permanently sealed off.
BARBARA HAINZ investigates in her
works the relationship between photography and recollection, the
photographic image as medium of memory. Pictures are selected from her
personal archive according to personal categories, then laid on top of
one another and encased in wax. In this manner the concrete memories
appear as if behind a veil, and are laid upon each other like a
palimpsest, as matrices for a subconscious remembrance in a Freudian
sense.
ALEXANDRA NAVRATIL’s series ‘Bitterfeld’ consists of
black epoxy reliefs which display the impressions of leaves, stones,
branches, bark, berries, nuts and flowers. The organic material was
collected around the Silbersee in Bitterfeld-Wolfen. This heavily
chemically-polluted area in Germany resulted in the 1990s from years of
contamination by the AGFA-ORWO-film factory and adjacent branches. The
vegetation found there today still bears diluted traces of this earlier
chemical exposure. The reliefs which result from a chemical reaction of a
silver nitrate solution, oxygen, and light are over-sized,
three-dimensional, photographic plates. With digital processing of
images, the intention is to neutralise the original meanings and
connotations.
The fact that OLIVIA COELN isolates the collected
fragments of her pictures from their original settings means that they
are first devalued and then reset. The history and provenance of the
original site is passed on again in every transformation.
CHRISTOPH
WEBER in his work subjects the view of the logic of the instrument,
beginning with a 50mm lens – this focal distance corresponds to the
range of vision of the eye. The work transmutes the viewing cone,
invented in the Renaissance, into its media-hypostasized version: the
‘viewing pyramid.’