Die Spannung des Alltags ist manchmal unerträglich. Kaum in der heimeligen Sicherheit der eigenen vier Wände angekommen, den Schlüsselbund auf der Kommode platziert, Jacke und Schal auf den alten Garderobenständer geworfen und das Gesäß endlich, nach einem langen Tag, mit dem Lieblingssitzplatz in Berührung gebracht, kommt Rastlosigkeit auf. Zuerst still, innerlich, sanft, dann immer lauter werdend. Hat es mit dem wachsenden Wäscheberg auf dem designierten Sessel im Eck zu tun, mit dem leicht tropfenden Wasserhahn, dessen Dichtung sachte aber merklich ihren Ruhestand einzufordern versucht, oder mit dem Staub, der sich über die Möbel legt und in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne besonders schön glitzert?
Während es unter der Haut brodelt, verharren die Oberflächen der Objekte scheinbar in repräsentativer Ruhe. Doch sobald man nicht hinsieht, kommen verborgene Kräfte zum Vorschein: Die väterlichen Hemdsärmel emanzipieren sich vom restlichen Textil und halten eine belanglose Rede, quasi aus dem Stegreif; der Stoffmusterkatalog wächst zu seiner vollen Größe heran und windet sich auf dem kanariengelben Boden, in einem Versuch, die einengende Katalogisierung der eigenen kleinbürgerlich-verstaubten Texturen abzuschütteln; der elastische Bugholz-Reißverschluss lotet aus, wo dem Zwang zur Verbindung widersprochen werden könnte.
Den assemblierten Versatzstücken kommen unterschiedlich temperierte Charakterzüge zu – und nur wenige sind so harmlos, wie sie scheinen. Überdimensionale Schnürsenkel, Narwalzähnen gleich, wachsen beispielsweise aus der Wand und schlingen sich süffisant und selbstbestimmt durch zwei Schuhrohlinge. Ein verkürztes Sakko mimt Thonets elegantes Wiener Geflecht, das im Vergleich zum darunter liegenden weichen und leicht abgetragenen Innenfutter hier jedoch starr und unflexibel wirkt; der einstige Sonntagsstaat und die damit einhergehenden Rollenbilder sind offenbar nicht gut gealtert.
Dem Schmutzwäschestuhl schließlich kommt eine entscheidende Rolle zwischen den beiden maßgeblichen Polen dieses Zusammenkommens zu: Er hütet die gestrig gewordene Bekleidung für ein kommendes Morgen, ungeduldig und zunehmend entropisch expandierend und wird damit zum Symbol für Ordnungswillen und Lebensrealität zugleich. Während die erzwungene biedermeierliche Abkehr vom öffentlichen Leben zu einer vermehrten Wertschätzung für die Preziosen des Privaten führte, stehen wir heute vor der Frage des Umgangs mit einem materiellen und geistigen Erbe, das Enge als Wohlbefinden verstanden wissen will. Die Antwort verharrt in spannungsvoller Rastlosigkeit und den Versuchen, durch unermüdliches Herausschälen und Neuformen vordefinierten Mustern neue Weiten einzuschreiben. (Andrea Kopranovic, 2024)
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The tension of daily life can at times be unbearable. Just so having arrived in the cosy security of one’s own four walls, having lowered the keychain onto the dresser, thrown both jacket and scarf onto the old coat rack, and finally having dropped one’s bottom, after a long day, onto one’s favourite chair, restlessness sets in. Silently, internally, gently at first, then becoming ever louder. Does it have to do with the growing pile of laundry on the designated armchair in the corner, or with the dripping faucet whose sealing ring gently but noticeably attempts to claim its retirement, or with the dust settling on the furniture, sparkling particularly mesmerizingly in the last rays of the setting sun?
While beneath the skin things are bubbling away, the surfaces of objects seemingly remain in representative calm. Yet as soon as one is not looking, hidden forces come to light: paternal shirt sleeves emancipate themselves from the rest of the fabric and deliver a trivial, quasi improvised speech; the fabric sample catalog grows up into its full size and wriggles onto the canary-yellow floor, in an attempt to shake off the constricting cataloguing of its own petit bourgeois-old fashioned textures; the elastic bentwood-zipper tests the boundaries, where the coercion to make a connection might be contradicted.
The assembled pieces exhibit differently tempered character traits – and only a few are as harmless as they appear. Oversized shoelaces, resembling narwhal tusks, grow out of the wall and thread themselves smugly and self-determinedly through two shoe uppers. A shortened jacket mimics the elegant Viennese wickerwork of Thonet; however, it appears rigid and inflexible in comparison to the soft and slightly worn-out lining which it covers. The former Sunday finery and the role models associated with it have evidently not aged well.
Finally, the laundry chair is allocated a decisive role between the two poles of this gathering: it guards yesterday’s clothes for a future tomorrow, impatient and increasingly expanding entropically, thus becoming a symbol both of the desire for order and the reality of life at the same time. While the enforced renunciation of a public life in the time of Biedermeier led to an increased appreciation for the treasures of the private sphere, today we are faced with the question of how to engage with a material and spiritual inheritance that understands confinement as well-being. The answer persists in a tense feeling of restlessness, and the attempt to break new ground by relentlessly scraping away and reshaping predefined patterns. (Andrea Kopranovic, 2024, translated by Sarah Cormack)