„Wir
in der Redaktion des ZEITmagazin sind seit Jahren Fans von Juergen
Teller, weil er Mode und Kunst, Prominente und Unbekannte, das
Berufliche und das Private auf eine einzigartige Weise zusammenführt –
ohne Angst, ohne falsche Rücksichten, aber mit viel Humor. Also haben
Bildredakteur Andreas Wellnitz und
ich Juergen Teller im Sommer vergangenen Jahres in London besucht, haben
ihm einen Rahmen für die Kolumne vorgeschlagen: jede Woche ein Bild,
dazu ein Text, beides von ihm. Er hat dann das Konzept entwickelt, wie
immer bei ihm aus seinem Lebensgefühl heraus: Er ist viel unterwegs,
trifft die unterschiedlichsten Menschen, ist dazwischen immer wieder
Zuhause bei seiner Familie. So kam es zum Titel der Serie: Unterwegs mit
Juergen Teller. Mal schreibt der Fotograf über die Entstehung der
Aufnahmen, mal erklärt er sein Konzept für das Shooting, mal erzählt er
von seiner Beziehung zu den Menschen, die er zeigt. Und immer wieder ist
er auch selbst Teil der Szenerie. Durch diese einmalige Verbindung von
Foto und Text wird der Betrachter zum Leser und der Leser zum Betrachter
und taucht ein in die Welt eines der prägenden Fotografen unserer Zeit.
Und das Werk von Juergen Teller ist durch seine im unverwechselbar
fränkisch-britischen Sound gehaltenen Miniessays um eine Dimension
erweitert worden.”
(zit. n. Christoph Amend, Oktober 2010)
Diese ZEITmagazin Serie steht im
Mittelpunkt der ersten Einzelausstellung Juergen Tellers in der
Christine König Galerie. Dazu zeigen wir eine Auswahl aus seinem
fotografischen Werk (Vivienne Westwood, Charlotte Rampling, Richard
Hamilton u.a.).
„Bubenreuth, Sommer 1971. Ich stehe auf einem drei Meter hohen
Holzstapel. Jürgen direkt hinter mir. Ich springe und lande mit
zitternden Beinen in einem von uns gesteckten engen Kreis aus
angespitzten Pfählen, unverletzt und erleichtert. Jürgen, zwei Jahre
jünger, springt als Zweiter, zu kurz, und reißt sich eine tiefe Wunde
ins Fleisch. Wir starren uns einen Augenblick voller Schrecken an, dann
rennt er ins Haus. (…)
Jürgen ist immer weiter gegangen als andere. Er hat nie da angehalten,
wo es für mich Grenzen gibt. Aber Jürgen springt immer wieder, als habe
er nichts zu verlieren oder alles. Beklagt hat er sich nie, nicht über
seine Verletzungen, die Schwierigkeiten der Kindheit, auch nicht als er
aus Geldmangel in London Nächte in seinem alten Mercedes verbringen
musste. Er war getrieben und ist es immer noch. (…) In seiner Kolumne
im ZEITmagazin schrieb Jürgen, dass er den Kontrollverlust liebt. Das
ist es, was ihn immer wieder umtreibt, vielleicht weil er sich selbst
oft am Rande der Kontrolle und Haltlosigkeit bewegt und trotzdem Herr
der Lage bleibt.“ (zit. n. Helmut Teller in: Calves and Thighs, Juergen Teller; TF. Editores, Madrid, 2010)
„Ich
phantasiere, als europäischer Intellektueller photographiert zu werden,
an einem Kaffeehaustisch oder in meiner Bibliothek, gelehnt an die
Bücherregale. Ich schaue ernst, sogar leicht mysteriös,
gedankenverloren, als bemerkte ich den Fotografen und seine Assistenten
gar nicht. Aber vermutlich würde es damit enden, dass ich verbraucht
aussehe, abscheulich und überheblich. Wie es ihm gelingen konnte, David
Hockney zu photographieren, wie er im Wohnzimmer seiner Mutter
herumlümmelt, rauchend und von oben bis unten mit der Asche all seiner
Zigaretten bedeckt, für die ganze Welt erkenntlich als irgendein
schmuddeliger alter Mann aus Nordengland, ich weiß es nicht! Es ist, als
hätte dieser Künstler nie etwas von Kalifornien gehört, noch weniger je
von schönen Knaben geträumt, von Rasensprenklern und Swimming pools.
(…) Als Juergen Teller mich fotografierte, fragte ich mich, ob er es
irgendwie geschafft hatte, meine Seele mithilfe dieser kleinen schwarzen
Kiste einzufangen, anstatt nur meine Eitelkeit, meinen Narzissmus,
meine Lächerlichkeit. Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass das, was
er wirklich versucht einzufangen, dieser Furor ist, dieser Wahnsinn,
dass wir am Leben sind. Das gilt für seine gesamte Arbeit, sei es für
die Modewelt, für seine Porträts oder seine anderen Fotografien.
(zit. n. Adrian Searle in: Calves and Thighs, Juergen Teller; TF. Editores, Madrid, 2010)
„We at the ZEITmagazin have been fans
of Juergen Teller for years, because he combines fashion and art,
celebrities and unknowns, the professional and the private in a unique
way – bluntly, without any false concerns, but with a good sense of
humour. Andreas Wellnitz, ZEITmagazin’s picture editor, and myself
visited Juergen Teller during the summer of 2009 in London. We suggested
an outline for a column: one picture a week, plus text, both by
Juergen. Juergen then developed the concept, which, as always with him,
is defined by his attitude towards life: always on the move, meeting the
most varying people, then staying at home with his family again. So the
title of the series came up: Unterwegs mit Juergen Teller. One week the
photographer reports on the making of the images, another week he
explains his shooting concept, and then he writes about his relationship
with his subjects in front of his camera. Repeatedly he puts himself
into the picture. With this unique combination of photograph and text
the viewer becomes a reader and the reader becomes a viewer, diving into
the world of one of today’s most formative photographers. Juergen
Teller’s work is being extended by one dimension, with these mini-essays
written in an unmistakably Franconian-British style.” (quot. Christoph Amend, October 2010)
This ZEITmagazin series is the heart
of Juergen Teller’s first solo show at Christine König Galerie in
Vienna. Along with it we present a selection of his photographic work
(Vivienne Westwood, Charlotte Rampling, Richard Hamilton et al.).
„Bubenreuth, summer, 1971. I’m standing on a three-metre stack of wood.
Juergen is right behind me. I jump and land, my legs trembling, in one
of the small circles we have marked out with sharp, pointed stakes –
uninjured and relieved. Juergen, two years younger than me, jumps next,
not far enough, and sustains a deep, tearing flesh wound. We stare at
each other for a moment, in sheer horror, before he rushes into the
house. (…) Juergen has always gone further than other people. He never
stops at the point where I, for one, have reached my limit. But Juergen
goes on jumping as though he had nothing to lose, or everything. He
never complains – not about his injuries, a difficult childhood, not
about having to sleep in an old Mercedes in London when he was
penniless. He’s always kept going, and it’s still the same. (…) In his
column in ZEITmagazin, Juergen wrote that he loves losing control.
That’s what drives him on, maybe it’s the feeling of so often being on
the brink of losing his grip and his footing yet still being in command
of the situation.“ (quot. Helmut Teller, in: Calves and Thighs, Juergen Teller; TF. Editores, Madrid, 2010)
“I fantasise being photographed as the
European intellectual, at some café table on a boulevard, or in my
library, against the backdrop of my bookshelves. I shall look serious,
even slightly mysterious, lost in thought, as though I were unaware of
the photographer and his assistants. But I would probably end up looking
effete, obnoxious and self-important. How he managed to photograph
David Hockney lounging about in his mother’s living room, smoking and
covered in the ash from all his cigarettes, for all the world like some
anonymous and grubby old man from the north of England, I have no idea.
It is as if the artist had never heard of California much less dreamt of
beautiful boys, lawn sprinklers and swimming pools. (…) When Juergen
Teller photographed me I wondered if he had somehow managed to capture
my soul in that little black box of his, rather than just my vanity and
my narcissism, my ridiculousness. But what he really tries to
photograph, I have decided, is the folly of being alive. This is true
throughout his photography, as much in his fashion work as it is in his
portraits and his other kinds of photographs.”
(quot. Adrian Searle, in: Calves and Thighs, Juergen Teller; TF. Editores, Madrid, 2010)