Wenn-Dann-Logiken
stellen das Gerüst aller Rituale, begleitet von festen Regeln, denen
wir im Autopilot folgen. Die Intensität und Dauer ist dabei nicht
Ausschlag gebend, egal ob mystische Vollmondtänze oder die Tasse Kaffe
am Morgen. Wir lassen uns steuern und geben uns gerne dem
rhythmisierten Ablauf hin. Die devote Teilnahme hilft Gedanken
schweifen zu lassen und Gefühle in einen vorhersehbaren Kontext zu
bringen – das Ritual als DNA-Plan unserer Identität und die
Allzweckwaffe des täglichen Wahnsinns. Also Kopf aus, halte mich
fest und bringe mich heil nach Hause.
Auch die kreative, beziehungsweise künstlerische Produktion
orientiert sich an Ritualen: die tägliche Lektüre, das Abarbeiten von
e-Mails, die Choreografie des
Vernissagebesuches, Eskalation und Rückzug. Und vorweg das ständige
Hinzuarbeiten auf Todeslinien, oft sogar auf mehrere zur selben Zeit.
Kriegerisches und kämpferisches Vokabular, das wir
systematisch durchlaufen und uns immer wieder mit den gleichen
Gedanken konfrontiert sehen, wollen wir die Linie nicht überschreiten.
Das Warten, bis wir in der richtigen Stimmung sind, Aufgaben zu
bewerkstelligen, kein Wissen, wie ein Anfang aussehen kann. Die
Erfahrung zeigt, unter Druck arbeiten wir am besten. Daher
verschieben wir alles auf später. Extremes Aufschieben ist eine
Arbeitsstörung, die besonders bei Personen aufkommt, die in
Eigenverantwortung arbeiten und nur unter enormem zeitlichen Druck
Aufgaben fertig stellen können. Willkommen in der Prokrasti Nation.
Vielleicht kann aber auch das Ritual des Aufschiebens vielmehr in
der Idee des geistigen Wartens verstanden werden. Ein privilegierter
Moment der Ruhe, den wir uns bewusst setzen, um Energie zu
tanken und der mehr der Lust an der Lustlosigkeit folgt.
(Lena Katharina Reuter, 2017)
The
‘If-then’ logic provides a structure for all
rituals – this, together with fixed rules that we follow as if on
autopilot. Intensity and duration is not crucial here, regardless of
whether it’s mystical full-moon dancing or an early-morning
cup of coffee. We allow ourselves to be controlled and often like to
follow the rhythmic sequence. Devout participation helps your ideas
drift, while bringing feelings into a predictable context.
The ritual as the DNA plan of our identity and an all-purpose weapon
against daily madness. So head off, hold me tight and bring me home in
one piece!
Even creative or artistic production finds orientation in rituals.
Daily reading sessions, working through e-mails, the choreography of
opening visits, escalation and withdrawal. And beforehand
the constant laboring towards dead lines, often even towards several
at the same time. Belligerent, warrior-like vocabulary that we
systematically run through and see ourselves time and again
confronted with the same thoughts if we are reluctant to cross the
line.
Waiting until we are in the right mood to perform tasks. No idea
what a beginning might look like. Experience shows we work best under
pressure so we defer everything for later. Extreme
postponement is a work-related disorder found especially in people
who work autonomously and can only complete tasks under enormous time
pressure. Welcome to the Prokrasti Nation.
Perhaps the ritual of procrastination, too, can be understood more
in the sense of mental waiting. A privileged moment of tranquility that
we deliberately recharge our batteries, yielding more to
the lust of listlessness.