PER DYBVIG | Evig Din Svartfossen

Per Dybvig wurde 1964 in Stavanger, Norwegen, geboren und lebt in Stavanger und Berlin. Als Reisender in Vorstellungswelten erkundet Per Dybvig nicht nur die unberührten weißen Flecken auf der Landkarte, sondern auch auf dem weißen Zeichenblatt. Sein Bildaufbau ist unkonventionell, die Perspektiven und Proportionen verzerrt, merkwürdige Details sperren sich gegen jede realistische Deutung. Dabei ist Dybvigs Zeichentechnik fast virtuos. Mit feinem Strich verführt er den Betrachter dazu, ihm in seine ebenso schöne wie sinistre Phantasiewelt zu folgen. Diese wirkt wie Szenen in einem absurden Theaterstück oder entgleiste Äsopsche Fabeln, die mit ihrem gedanklichen Zusammenhang auch ihre Moral verloren haben.

Vorbild für Dybvigs Animationen und Zeichnungen, die das Hasenthema variieren, ist die Druckgrafik Die Hasen fangen und braten den Jäger von Georg Pencz aus dem Jahr 1535. Dybvig überzeichnet das bereits stark stilisierte Renaissancebild in seinen Filmen zu lebhaften, groben Bildern oder, was die Zeichnungen anlangt, zu fein ziselierten Sujets. Das Bizarre, das Verderbte und das Karnevaleske präsentieren sich als Naturphänomene in einer Welt jenseits der unsrigen. Sie gemahnen an etwas, das André Breton 1921 in einem Katalog von Max Ernst so umrissen hat: „Wer weiß, ob wir uns auf diese Weise nicht vorbereiten, eines Tages dem Identitätsprinzip zu entkommen.“

Und Dybvigs Zeichenkunst ist eindeutig surrealistisch. In den Tierzeichnungen lässt er die Protagonisten jedes Identitätsprinzip hinter sich lassen. Hier sehen wir einen Ratten-Elch auf dem OP-Tisch, da einen Mann so groß wie ein Teelöffel mit drei Hüten und flankiert von einem kletternden Schwein, dort kolossale rattenartige Tiere. Diese Tierfabeln lassen keinen moralischen Aspekt mehr erkennen. Mit seinen Bildern geleitet uns Dybvig an die Grenzen der Vernunft. Dort betreten wir das Reich des uns angeborenen Lachens über wirre Phantasien, das Reich der anarchistischen Außenbezirke des Karnevals. Dort nimmt das Menschliche tierische Formen an, und die Tiere sehen nicht mehr wie Tiere aus. Ist das nun ein Hase, ein Fuchs oder eine Ratte? Oder ist es tatsächlich ein Elch? Dybvig dekonstruiert den europäischen Mythos vom einsamen Kämpfer und die alte Idee von Jäger und Gejagtem.

Die Zeichnungen bewegen sich auch in – bis jetzt – sechs Animationsfilmen: Der erste, Hunter, Hare, Dog, stammt aus dem Jahr 2010. Seine neueste Stop-Motion-Animation kommt als Begleitvideo zu dem neuesten Lied des norwegischen Sängers Morten Abel: Evig Din ist zugleich der Titel der neuen Ausstellung. In allen seinen Filmen lässt Dybvig den Skizzenblock und die Kamera eins werden, da die Bewegungen des Films durch eine Reihe von Standbildern erzeugt werden, die sich langsam und akribisch von Bild zu Bild auf Papier verändern. Die Protagonisten und Figuren nehmen an einem absurden Märchen teil, in dem eine lakonische Erzählerstimme einerseits das unterstreicht, andererseits dem widerspricht, was wir sehen. Norwegische Volksmärchen und klassische westliche Mythen treffen aufeinander und zerbrechen einander gewaltsam.

(zit.n.Trond Borgen, Drawings in motion, 2014/18)


Born in 1964 in Stavanger, Norway, Per Dybvig lives and works in Stavanger and Berlin. Dybvig is a traveller of the imagination, exploring white areas on the map and on the white drawing paper where no one has laid their hand before: unconventional arrangement of pictorial space, distortion of perspective and scale, strange details that defy the limits of realism, and almost virtuoso drawing techniques. Dybvig seduces us with precise craftsmanship to enter a world of imagery both beautiful and sinister, like scenes in an absurd play, or like fables where Aesop has lost his train of thought and forgotten the point of the story long ago.
 
The inspiration for the animations and the drawings that show variations on the hare theme comes from a woodblock print dating back to 1535: The Hunter Caught by the Hares, by Georg Pencz, where the hunter has been hanged from a tree and the hares are preparing for a feast. Dybvig distorts the stylized image of the Renaissance into vivid, rough drawings in the films and into delicate, sophisticated pen drawings in his small gallery pictures. In a bizarre world of images, the finest pen line conjures up peculiar situations and actions. The bizarre, the twisted, and the carnivalesque are established as natural phenomena beyond this world, as André Breton points out in the catalogue for a 1921 Max Ernst exhibition: “Who knows if we are not in this manner being prepared for escaping the principle of identity?”
 
Dybvig’s draftsmanship is most certainly that of a surrealist; in drawings such as these, he does indeed let his characters escape the principle of identity: here we have a rat-moose on the operating table, a teaspoon-sized man with three hats flanked by a climbing pig, rat-like animals larger than men. These animal fables appear to be without moral perspective. Dybvig leads us towards our outer edges of reasoning, towards the innate laughter of the dizzying imagination, towards the anarchistic edges of the carnival. The human assumes animal form; the animals no longer look like themselves. Is this a rabbit, a fox or a rat? Or is it in fact a rodent moose? This is how Dybvig deflates both the Western myth about the lonesome rider and the traditional idea of hunter and prey.
 
The drawings move as well, in – up till now – six animated films: the first, Hunter, Hare, Dog, is from 2010. His newest stop-motion animation comes as an accompanying video to Norwegian singer Morten Abel’s newest song Evig Din which is also the title of the exhibition. In all of his films, Dybvig lets the sketch pad and the camera become one, as the film’s movements are created by a number of still frames which change on paper, slowly and meticulously, from frame to frame. The protagonists and figures take part in an absurd fairy tale where a laconic narrator’s voice part underlines, part contradicts what we see. Norwegian folk tales and classic Western myths meet and shatter each other forcibly.

(quot. Trond Borgen, Drawings in motion, 2014/18)

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