5. – 14. Juni 2018
K2: Hallo Paule. Nachdem die Ausstellung in zwei Wochen eröffnet, würde ich fast ein E-Mail Interview vorschlagen – ein virtuelles Ping-Pong. Was meinst du, ist das ok?
PH: Hallo Andrea, das ist okay!
K2: Wunderbar, danke. Dann starten wir.
In meiner Vorbereitung zur Ausstellung bin ich vermehrt über dein Selbstverständnis als Maler gestolpert – zumal du in den unterschiedlichsten Medien arbeitest. Du hast an der HGB Leipzig studiert und dein Wikipedia-Eintrag enthält die Kategorisierung: “[Paule Hammer] zählt zu der jüngeren Generation der Maler der sogenannten Neuen Leipziger Schule.” 2011 meintest du in einem Interview mit Lars Klostermann, du wärst entgegen bestimmter (unausgesprochener) Regeln des Handwerkes über “das Text-Machen zum Malen” gekommen. In vielen deiner Arbeiten auf Leinwand ist das sehr deutlich nachvollziehbar. Auch bei der Installation für KOENIG2? Kannst du erklären worum es dir hier in Wien geht?
PH: Auch in Wien wird gemalter Text zu sehen sein. Ich trage zweihundert Aufgaben bzw. Handlungsanweisungen vor, die mir beim Malen bzw. Schreiben eingefallen sind. Durch das Aufschreiben entsteht ein Sog, der neue Ideen und Formulierungen erzeugt. Wenn ich das Notieren beende, hört auch der Ideenstrom auf. Beginne ich am nächsten Tag von Neuem, setzt der Strom wieder ein. Auch der Charakter der Aufgaben selbst veränderte sich durch das Aufschreiben. Zunächst hatte ich vor, Gesetze für Künstler zu formulieren. Dann aber erweiterte sich das Konvolut um Geschäftsideen und verbale Entwürfe für kleine und große Kunstwerke und -Aktionen.
Das Publikum in Wien wird diesen Vorgang anhand von zwölf Text-Bildern nachvollziehen können. Außerdem werden die Anweisungen über ein anderes Medium den Passanten auf der Straße mitgeteilt werden, worauf ich mich schon sehr freue
K2: Im Vorfeld der Ausstellung sind Auszüge dieser Handlungsanweisungen ja auch auf Twitter geteilt worden. Dort stehen die Sätze wie tägliche Mantras, manche leicht umzusetzen (“Nennen Sie alle Frauen Ute und alle Männer Herbert.”), andere hingegen schwieriger (“Lassen Sie in einem Nasenloch ein rotes Licht blinken und in dem anderen ein blaues. Lassen Sie Nebel aus ihrem Mund kommen.”). Dabei habe ich als Leser das Gefühl, dass du keine detailgetreue Umsetzung erwartest, sondern viel mehr nach einer Sensibilisierung strebst.
PH: Das stimmt absolut.
In jedem Gegenstand und jedem Ort sind Möglichkeiten enthalten. Diese aufzufangen und in Form zu bringen erfordert einen Zustand zumindest leicht gesteigerter Empfindlichkeit. Ich genieße diesen Zustand sehr und hoffe, dass er ansteckend ist. Natürlich würde es mich dennoch sehr freuen, wenn jemand mal einer dieser Handlungsanweisungen nachkäme. Vielleicht probieren wir ja das eine oder andere aus, wenn ich in Wien bin.
K2: Das machen wir gerne!
Gemeinschaftlichen Aktionen bist du ja auch sehr zugetan, Beispiele dafür wären u.a. die Auftritte der Ich-AG Geige oder Performances mit Kollegen. Was hat es dabei mit den “Verkleidungen” auf sich, besonders mit der Portraitmaske – wie zu sehen im jüngsten auf Facebook geposteten Gespräch mit Florian Hesselbarth oder auf dem Plakat für KOENIG2?
PH: Die Verkleidung ist eine sehr effektive künstlerische Technik; wer sich verkleidet, öffnet die Tür in eine Parallelwelt. Das Gespräch mit Florian Hesselbarth war der Anlass, die Portraitmaske von mir selbst herzustellen. Von ihm habe ich auch eine gemacht. Und dann habe ich gesagt: ich finde interessant, was du machst, ich würde mich gerne mit dir unterhalten, aber lass uns gleich durch die Masken sprechen, denn dann unterhalten wir uns in der Kunst. Auf diese Art möchte ich noch mehr Menschen besuchen. Als “Paule Hammer”.
K2: Wenn ich “Paule Hammer” und Paule Hammer dieselbe Frage stelle, bekomme ich dieselbe Antwort? Z.Bsp.: Was bedeutet Farbe für dich?
PH: Die erste Frage kann ich dir nicht beantworten. Ich vermute aber, das “Paule Hammer” am Anfang des Gespräches Wortfindungsschwierigkeiten hat, dann immer temperamentvoller wird um am dann schlagartig zu ermüden. Das zeigt zumindest die Erfahrung.
Mit Farbe bekommt man es zu tun, wenn man visuell arbeitet. Sie kann jedes Mal etwas anderes bedeuten. Ein Farbverlauf von Gelb über Zyan und Magnet zurück zu Gelb etwa enthält (theoretisch) alle farblichen Möglichkeiten, könnte aber auch für alle zyklischen Wiederholungen im Lebenslauf stehen.
K2: Eine dieser zyklischen Reiterationen findet sich auch in deiner konstanten Fortführung der Serie “Welt-Enzyklopädie”, in der du die Welt (oder mehrere Welten) aus der Ich-Perspektive beschreibst. Diese war ja in einer Art der Vorgänger deines “Interview-Magazins”, eine Verarbeitung von Gesprächen und Begegnungen. Wie verhandelst du diesen Corpus in deinen neuen Arbeiten?
PH: Die Welt- Enzyklopädie enthält tagebuchartige Aufzeichnungen, Überlegungen, Recherchen, Gespräche und Erfindungen. Diese Vielfalt und Disparität der Bereiche findet sich auch in den Aufgaben wieder, nur in wesentlich knapperer Form. Sie stehen zur Welt- Enzyklopädie etwa in einem Verhältnis wie Gedichte zu einem Roman.
K2: Ein poetisches Schlusswort. Ist dem noch etwas hinzuzufügen?
PH: Höchstens noch die Betreffzeile dieser Mail, die mir gut gefällt: “Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: texte für wien”.