TONI SCHMALE

Oberflächenpräzision, Anbetung und Unterwerfung des Materials sowie Körperlichkeit sind Konstanten, aber auch Parameter der Veränderung in den jüngsten Arbeiten von Toni Schmale (geb. 1980 in Hamburg, lebt und arbeitet in Wien). Stellten ihre Skulpturen zuvor ein Angebot an den Betrachter, der herauszufinden hatte was und ob etwas damit gemacht werden kann, tritt stellvertretend dafür eine Handlung ein. Im Dialog der Künstlerin mit den harten Materialien – oft unbeugsam aber immer in der Hoffnung auf Bezwingung – wird kaum eine Spur davon an den Arbeiten zurückgelassen. Die gebogenen Rohre, geknickten Platten und balancierenden Betonblöcke verbergen ihre eigenwillige, innere Funktion – einen eigenen Willen – durch das Schleifen, Polieren, Brünieren und Sandstrahlen und ihre ineinandergreifende Konstruktionsweise. Das Material wird seiner industriellen Normierung entfremdet, überdehnt, gefaltet und geknickt. Weder Starrheit noch Schwere wirkt am Ende des Prozesses auf die Arbeiten ein; was bleibt, ist eine ruhige Stille.

Es ist nach wie vor gültig, was Silvia Eiblmayr 2015 über das Werk von Toni Schmale schreibt: Sie aktiviere bereits in ihren Titeln Fantasien durch das Öffnen von imaginären Räumen, die sie „in der perfektionistischen Metallbau- und Betonästhetik ihrer Arbeiten sich gleichsam verfangen lässt. Schmales Skulpturen oszillieren zwischen Alltagsgegenstand, Gerät, Maschine, Möbel oder Architekturdetail, und sie sind keines davon. Sie sind vielmehr eher Abstraktionen dieser jeweiligen Bezugsfiguren, aber zugleich sind sie höchst konkret in ihrer technoiden Präzision und unter die Haut gehenden Materialität, die mit einer merkwürdigen widerspenstigen Sinnlichkeit einhergeht.“ (Silvia Eiblmayr: Superego. Inside and Outside the Setting, in: Toni Schmale, Superego, hrsg. v. nGbK, Berlin 2015, S. 15)

Toni Schmales Formen entwickeln eine Körperlichkeit, die humorvoll sein kann: Fäuste dienen Mistkübeln als Füße, Betonblöcke werden von zwei L-förmigen, hauchdünnen Stahlplatten getragen, ein Gittergeflecht aus Stahlrohren erstreckt sich beinahe frei schwebend in den Raum. Manche Materialien erscheinen trotz ihrer Beschaffenheit weich, leicht oder flexibel; die Künstlerin verschiebt ästhetisch-haptische Qualitäten zugunsten einer formalen Analyse von Proportion, Architektonik und Wahrnehmung.

Neben der räumlichen Verwirklichung bildhauerischer Statements, hat Toni Schmale für diese Ausstellung ‚alte Bekannte‘ eingeladen, die auf Bildreliefs wohnen: es sind Figuren, die Ähnlichkeit mit ihren frühen Animationen haben. Eine Arbeit stellt eine abstrahierte Variante des bekannten Serienduos Snoopy und Woodstock aus „Die Peanuts“ dar. Die Beziehung zwischen beiden ist familiär und bietet für das ungleiche Paar einen Zufluchtsort in ihrer Vertrautheit. Schließlich ist Snoopy der einzige, der Woodstocks stenografische Versprachlichung übersetzen kann und er fühlt sich verantwortlich für ihn (denn Woodstock wurde auf einem Nest auf Snoopys Bauch geboren). Beziehungen zum Material und zum Innenleben, in einigen von unzähligen Facetten, werden hier artikuliert. Die Wandarbeit ist ein Verweis auf die Vielschichtigkeit der künstlerischen Ausdrucksformen, zwischen denen Toni Schmale nonchalant agiert und die von disziplinären Kategorien keinerlei Gebrauch machen.
(Andrea Kopranovic, 2019)


Surface precision, veneration and submission to the material as well as physicality are constants yet also parameters of change in the new works by Toni Schmale (b. 1980 in Hamburg, lives and works in Vienna). Whereas her sculptures formerly made an offer to the viewer of what can be done with them, now, as a substitute for this, an action occurs. In the dialogue between the artist and the hard materials – often unyielding yet always with the hope of coercion – scarcely any trace of this dialogue is left behind on the works. The bent pipes, kinked slabs and balancing concrete blocks conceal their own, inner function – an own will – by means of the grinding, polishing, burnishing and sandblasting and their interdependent manner of construction. The material is alienated from its industrial normalization, it is overstretched, folded and buckled. Neither inflexibility nor weightiness influence the works at the end of the process; what remains is a calm stillness. In 2015 Silvia Eiblmayr wrote fittingly that the artist already activates the fantasy of the observer with her titles, and that these, by opening up imaginary spaces, “become entangled, so to speak, in the works’ perfectionistic aesthetic of metal construction and of concrete. Narrow sculptures oscillate between everyday object, tool, machine, furniture or architectural detail, and they are none of these. They are far rather abstractions of each of these figures of reference, yet at the same time they are highly specific in their technoid precision and their materiality which gets under one’s skin, and which is accompanied by an extraordinary, intractable sensuousness.” (Silvia Eiblmayr: Superego. Inside and Outside the Setting, in: Toni Schmale, Superego, ed.nGbK, Berlin 2015, p. 15)

Toni Schmale’s forms develop a physicality which can be humourous: fists act as feet, concrete blocks are supported by two L-shaped, wafer-thin steel slabs, a network grid of steel pipes extends itself, almost floating freely, in the room. Certain materials appear soft, light or flexible in spite of their nature; the artist offsets aesthetic-haptic qualities in favour of a formal analysis of proportions, architectonics and perception.

(quot. Andrea Kopranovic, 2019)


 

Enquiry