„Man müsse einen
unverwechselbaren Stil haben und Authentizität zum Ziel haben, wenn man
es künstlerisch zu etwas bringen möchte, lautet eine Forderung der
Kritik an die Kunstschaffenden. Die Geschichte bestätigt das. Wenn man
ein Bild von Warhol oder Giacometti sieht, spricht man von „einem
Warhol“ oder „einem Giacometti“. In diesem Moment wird das Kunstwerk zum
Repräsentanten einer Person.
Wenn man nun zusätzlich ein Portrait
des Künstlers, der Künstlerin zur Verfügung hat, hat man zwei
Repräsentanten einer Person. Man könnte somit von einem heraldischen und
einem natürlichen Bild eines Menschen sprechen. Wenn Jacqueline Chanton
nun beides gemeinsam zeigt, sowohl das Portrait als auch das Werk, wird
sie der Tatsache gerecht, dass wir inmitten von Bildern leben. Ob es
sich dabei um ausgewiesene Kunstwerke handelt oder um
Porträtdarstellungen oder um beides zusammen oder um völlig andere
Zusammenhänge, spielt keine Rolle. Mittlerweile sehen wir, wenn wir
Warhol hören, die unzähligen Ikonen der Pop-Art. Und Picassos blau-weiß
gestreiftes T-Shirt ist auch fast so bekannt und gegenwärtig wie seine
Les Demoiselles d’Avignon.
Die Fotoporträts verschiedener
Künstler kann man als Teil der Massenkultur verstehen – als
Massenbilder. Sie wurden aber durch ihre nahezu inflationäre Verwendung –
im Vergleich zu tatsächlichen Kunstwerken – selbst zu Ikonen. Somit ist
Chantons Disposition eine Auseinandersetzung mit einem Faktum, das wir
gegenwärtig besonders auffällig beobachten können, nämlich dem Wandel
innerhalb der Bildkultur. Das Werk und das fotografische Porträt der
Person, die dahintersteht, bewegen sich aufeinander zu.
Der triviale, massenkulturelle Bereich
der Bilderzeugung nimmt immer mehr an Raum ein. Somit ist mit der
Erfindung der Bildmaschinen ein Vorgang eingeleitet worden, den Denker
wie Anders oder später Baudrillard mitverantwortlich gemacht haben
dafür, dass die Welt zum Bild geworden ist. Jacqueline Chanton scheint
das auf einfache Weise zu zeigen. „Ein Picasso“ ist heute sowohl das
Gemälde, als auch der Künstler – beide sind für uns Bilder.“
Günther Holler-Schuster, 2007
„You have to aim at
developing a distinctive style and authenticity if you want to get
somewhere, this is what critics often demand from artists. History
sustains this theory. If you look at a painting by Andy Warhol or a
sculpture by Alberto Giacometti, people refer to it as “a Warhol” or “a
Giacometti”. At this moment, the artwork becomes the representative of
the artist. If additionally there is a portrait of the artist himself,
one obtains two representatives of one person. You could talk about a
heraldic and a natural image now. By now, when the name “Warhol” comes
up, people think of the countless icons of Pop-Art. Also Picasso’s
blue-and-white striped t-shirt is nearly as famous and on the spot as
his Le Demoiselles d’Avignon.
Jacqueline Chanton shows both, her
painted portrait of the artist and also his work painted by her. She
proves the fact that we live in the midst of images. The photographical
portraits of various artists can be seen as a part of mass culture – as
mass pictures/images. Because of their almost inflationary use, in
comparison to real artworks, they turned into icons themselves. Hence
Chanton’s work is an examination of a very present fact, namely the
change within the culture of images/pictures. The actual artwork and the
photo portrait of the artist who made it, converge. The trivial and
mass cultural field of image creation expands more and more. With the
invention of “image machines“ a procedure was opened, which philosophers
like Günther Anders or Jean Baudrillard hold responsible for the fact
that the world became an image. Jacqueline Chanton seems to show this in
an elementary way. Today “a Picasso” is both, a painting and the artist
himself, both are images for us.“
Günther Holler-Schuster, 2007