Mittels Materialisierung und Ästhetisierung von
digitalen Prozessen lenkt der dänische Künstler Rune Bering (geb. 1984,
lebt und arbeitet in Kopenhagen) unsere Aufmerksamkeit auf die unser
Zeitalter prägenden politischen und existentiellen Fragen. Bering
schafft einen phänomenologischen Austausch zwischen dem menschlichen
Bewusstsein und dem digitalen Bereich durch die Aufdeckung eines
konfliktreichen Kosmos, wo Natur, Hoffnungen und Träume auf
Konsumdenken, Überwachung und Digitaltechnologie stoßen.
Für die Ausstellung My username is Darina94 inszeniert Bering eine
dystopische, fast futuristische Landschaft. Ein umgeworfener
Einkaufswagen, der mit brennenden Bildschirmen gefüllt ist, Wände, die
mit seltsam aussehenden Buchstaben und versengten Blumenmustern bedeckt
sind. Die distanzierenden, doch mit ihren rosafarbenen Pixels
verlockenden Bildschirme spielen ein Video von einem heimelig anmutenden
Kaminfeuer, das wiederholt auf unterschiedliche Social Media hoch- und
runtergeladen wurde. Dieser manipulative Prozess hat die physikalische
Präsenz des Feuers allmählich zersetzt und dem Dekompressionsalgorithmus
zum Durchbruch verholfen. Sätze wie ‘H́OͭLA m̠y fu͆tur͢e f#cker’
stammen von massenproduziertem Spam, der an Millionen von Menschen mit
dem Versprechen von leichtem Sex und leichtem Geld verschickt wird. Um
den Spamfilter zu passieren, ist Spam immer komplexer geworden und kann
aus Codes und Symbolen bestehen, die für das bloße Auge unsichtbar sind.
Durch die Dekonstruktion von Spam-Mails enthüllt Bering ein
faszinierendes, zutiefst absurdes Universum einer Art Sprache, die
entwickelt wurde, um das Unicode-System zu überlisten (ein System, das
zwecks Verbesserung und Kontrolle von Computerkommunikation über
Alphabete und Sprachen hinweg entstanden ist). Unter anderem entdeckt er
hinter dem sichtbaren Text des Spam-mails (HOͭLA m̠y fu͆tur͢e f#cker)
Textpassagen aus den konservativen Liebesromanen der amerikanischen
Autorin Jillian Hart. Bering benutzt das kontrastreiche Zusammentreffen
von persönlicher Beziehung und Spam, Sex-Werbungen und Liebe, Intimität
und Apathie, e-mails und ‚chick-lit’ -Taschenbüchern zur Befragung und
Reflexion zwischenmenschlicher Beziehungen und der Verbindung zwischen
Raum und Technologie. Leben wir in einer Realität, die so digitalisiert,
kontrolliert und reguliert ist, dass massenproduzierter Spam fast
befreiend und authentisch wirken kann? Vielleicht ein Funke Hoffnung für
eine Zukunft mit Zugang zur persönlichen Privatsphäre.
Berings Schaffen ist durchgängig geprägt von seiner
Auseinandersetzung mit den physikalischen Manifestationen von
Technologie. Die schwarzen Blumen in einer Druckserie sind Archivbildern
von Wildblumen der Rocky Mountains entnommen; sie wurden mit einem
Laserdrucker mehrmals vervielfältigt, wodurch die technologischen
Charakteristika des Druckers sichtbar werden. Im Gegensatz zu einem
Inkjet-Drucker brennen Laserdrucker einen kohlenhaltigen Toner auf das
Papier. Bei mehrmaliger Wiederholung dieses Prozesses versengt das
Papier, und das Motiv löst sich nach und nach in eine Masse von Kohle
auf. Die Arbeiten werden zu einer Selbst-Abstraktion und zu einer Art
Hybride zwischen dem Einzigartigen und dem Massenproduzierten, zwischen
dem Analogen und dem Digitalen. Es drängt sich nun die Frage auf: bleibt
noch etwas anderes übrig als die Technologie selbst?
(Nanna Balslev Strøjer, 2019)
Through materialising
and aestheticising digital processes, Danish artist Rune Bering (born 1984)
points to political and existential issues defining our time. Bering
establishes a phenomenological exchange between human consciousness and the
digital realm, as he uncovers a conflicting cosmos where nature, hopes and
dreams meet consumerism, surveillance and digital technology.
For the exhibition My username is Darina94 Bering sets the
scene of a dystopian, almost futuristic landscape; a tipped over shopping cart
filled with burning screens, strange looking letters form enigmatic sentences
and charred flower prints cover the walls. The distancing, yet alluring screens
of pink pixels play a home fire video which has been repeatedly uploaded and
downloaded to different social media. This manipulative process has gradually broken down the
fire’s physicality and allowed the media’s decompression algorithm to manifest
itself. Sentences like ‘H́OͭLA m̠y
fu͆tur͢e
f#cker’ derive from mass produced spam sent out to millions of people promising
casual sex and easy money. In order to pass through the spamfilter, spam has
become increasingly complex and can consist of codes and symbols invisible for
the naked eye. By deconstructing spam mails, Bering unveils a fascinating and
deeply absurd universe of a type of language developed to cheat the Unicode
system (a system developed to optimise and control computer communication
across alphabets and languages). Among others, he finds that hidden behind the
spam mail’s visible text (i.e. H́OͭLA m̠y
fu͆tur͢e
f#cker) are passages of text deriving from American author Jillian Hart’s conservative romance-novels. Bering uses
the contrasting meeting between the personal relation and spam, sex adverts and
love, intimacy and apathy, emails and ‘chick-lit’ paperbacks to question and
reflect on relations between man, space and technology. Do we exist in a
reality so digitalised, controlled and regulated that mass produced spam can
almost appear freeing and authentic – maybe a hint of hope for a future with acces to personal privacy?
Consistently through
Bering’s practice lies the interest in challenging technology to manifest
itself physically. The series of black flower prints are various stock photos
of Rocky Mountains wildflowers, they have been laser printed many times, thereby revealing the
printer’s technological characteristics. In contrast to an inkjet printer,
laser printers burn toner containing actual coal onto the paper. When this
process is repeated over and over the paper chars and the motive is gradually
broken down into mass of coal. The works become an abstraction of themselves
and a type of hybrid between the unique and the mass produced, between the analogue and the
digital. You are compelled to wonder; is there anything left but technology
itself.
(Nanna Balslev Strøjer, 2019)