PIERRE BISMUTH | Ruled by Extravagant Expectations

Pierre Bismuths Werk basiert formal oft auf dem Prinzip der Entwendung/Zweckentfremdung und der Aneignung. Er beschäftigt sich mit Phänomenen des Verstehens und mit Fragen der Produktion von Bedeutung und Wert.
Die Black Paintings (2005-2008) kann man als Fortsetzung von Bismuths Auseinandersetzung mit dem Dschungelbuch von Walt Disney sehen. In dieser früheren Arbeit hatte der Künstler eine babylonische und unverständliche Fassung des Comicfilms gestaltet, in dem er jeder Figur eine andere Sprache verliehen hat. Für seine Black Paintings greift Bismuth erneut Produkte aus den Disney Studios auf. Diesmal „entwendet“ er Disney Figuren aus den Malbüchern für Kinder. Während in den Kinderheften die verschiedenen Teile der Figuren auch in unterschiedlichen Farben ausgemalt werden sollen, begnügt sich Bismuth damit – nachdem er die Figuren vergrößert auf der Leinwand dargestellt hat – alle Flächen mit einer einzigen Farbe auszumalen: schwarz. Dabei hält er sich genau an die Umrisse der Zeichnung. Die Pinselstriche zeugen von der Arbeitsweise des Künstlers und lassen mehr oder weniger das Phantom des Ausgangsbildes erkennen. Die langwierige Arbeit des Malens vollzieht sich quasi auf mechanische Weise. Die unberührten Flächen, die nur durch einen schwarzen Strich begrenzt sind, füllen sich langsam und werden zu einer schwarzen monochromen Fläche.
 
Ähnlich wie im The Jungle Book Project (2003), bei dem Bismuth eine Abweichung erzeugte, in dem er die verschiedenen von Disney Studios vertriebenen Versionen verwendete, führt er hier eine Verzerrung ein, in dem er sich an die Malvorgaben aus den Kinderheften strikt hält. Durch die ausschließliche Verwendung der Farbe schwarz und durch das Verschwinden-Lassen der Zeichnung, negiert er den narrativen Inhalt des Bildes und hebt den performativen Charakter der Malerei hervor. Eine Art befreiender Nihilismus, der simplen Merchandising Produkten zuletzt eine quasi mystische Dimension verleiht.
In Willem, Fu, Robert and Myself (2008) interessiert Bismuth sich für ein bestimmtes historisches Kunstwerk von Robert Rauschenberg aus dem Jahre 1953, in dem dieser eine Zeichnung von De Kooning ausradierte:
 
Bismuth bat nun einen unbekannten chinesischen Maler, Fu Site, möglichst genau das ausradierte Bild Erased De Kooning Drawing , welches sich im San Francisco MOMA befindet, zu reproduzieren und zwar mit der Technik und dem Material der ursprünglichen De Kooning Papierarbeit: Bleistift, Kreide, Kohle, Öl und Tusche.
 
Dieses Werk hat eine Vorgeschichte: 2006 bat Bismuth Rauschenberg persönlich, auf einem Blatt Papier die ursprüngliche, von ihm ausradierte Zeichnung, aus der Erinnerung zu skizzieren. Rauschenberg konnte dieser Forderung aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr nachkommen. Es schien, als könnte diese historische Geste nun doch nicht mehr „umgedreht“ werden. Indem Bismuth jedoch von Fu Site ein „leeres“ Bild nachzeichnen-/malen ließ, verweist er ein weiteres Mal auf die Problematik des Namens und der Signatur. Nicht nur, dass er auf den fetischistischen Charakter der Kunst und auf ihren ökonomischen Wert hinweist, er zeigt auch, wie ein leeres Blatt Papier zu einem Objekt der Kontemplation wird – und er zeigt, wie eine Arbeit, die versucht, die Leere nachzuzeichnen, zu einem mit Signaturen überfüllten Raum werden kann: De Kooning, Rauschenberg, Fu Site, Bismuth.


In formal terms Bismuth’s work is often based on appropriation and misappropriation. He is interested in phenomena of understanding and issues related to the production of meaning and value. Continuing his work on the (mis)appropriation of Walt Disney’s Jungle Book where he created a Babylonian, incomprehensible version of the cartoon, giving each of the characters a different idiom, Bismuth here one more time takes on Disney Studio products. The Black Paintings (2005-2008) actually use “Disney figures“ taken from children’s coloring books. Whereas in the coloring books the various parts of the drawing should be covered with different colors, Bismuth, after having enlarged the motif on the canvas surface, is simply filling the surfaces with one single color: black. Adhering closely to the contours of the drawing, the brushstrokes effectively reflect the artist’s method, allowing the ghost of the original image to more or less shimmer through. The tedious painting takes place almost mechanically; the untouched surfaces still delimited by single black lines, are gradually filled with paint, finally resulting in a black monochrom.

Similar to The Jungle Book Project (2003) where Bismuth worked with misappropriation in the sense that he simply used various foreign versions of the film that had been distributed by Disney studios, he added here a distorsion by stringently applying a rule introduced by coloring books. By using only black and by making the drawing disappear, he denies the narrative content of the image and foregrounded the performative character of painting. A sort of liberating nihilism that utlimately lends simple merchandising products an almost mystic dimension.

In Willem, Fu, Robert and Myself (2008) Bismuth takes a direct interest in the historical piece by Rauschenberg from 1953 in which he erased a drawing by De Kooning.

Bismuth asked a Chinese painter, Fu Site, to reproduce as accurately as possible Erased De Kooning Drawing by using the techniques and materials from the original drawing: pencil, crayon, charcoal, oil paint and ink. This work had an antecedent, since in 2006 Bismuth had already asked Rauschenberg to roughly sketch what he remembered from the drawing that he had erased. The American artist did not oblige preventing Bismuth from inverting the historically negative gesture. Adpating his project and six months after Rauschenberg’s death, Bismuth succeeded to find a way to achieve his reversal piece. By creating an image out of emptyness, Bismuth shows one more time his concern about the question of value and addresses the issue of name and signature. In so doing he not only reveals the fetish nature of art like a sheet of empty paper becoming an object of contemplation, but he also transforms Rauschenberg’s piece, which initially created a void into a space overladen with signatures – De Kooning, Rauschenberg, Fu Site and Bismuth.

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