Nasan Tur verhandelt in seinen Werken die gesellschaftlichen Bedingungen
des Kunstschaffens und thematisiert zeitgenössische
politisch-ökonomische Verhältnisse. Ein wesentlicher Ausgangspunkt für
seine Arbeiten ist Sprache, besonders bei „Variationen von Kapital“: Die
fortlaufende Serie aus 2013 wird immer wieder gezeigt. Der Kontext
variiert dabei nicht, stets dienen die Wände von Galerien als
Präsentationsflächen. Die serielle Produktion der Arbeiten ermöglicht es
jedes Mal eine Aufstellung als “ortsspezifische Installation” zu
vermarkten – was sie de facto aufgrund der unterschiedlichen Wandgröße
ist. Dennoch muten die ca. 800 bestehenden Unikate konstant ident an.
Dies ist eine ironische Inszenierung, dessen Wesen in der Essenz von
Turs Schaffen verhaftet ist.
In etwa 170 der über 800 Zeichnungen
hängen raumfüllend in KOENIG2. 800 ist dabei keine symbolische Ziffer,
sondern ein Status quo: Von einem programmierten Algorithmus hat Nasan
Tur über 41.000 Schreibvariationen des Wortes Kapital ermitteln lassen,
die phonetisch wie „Kapital“ klingen. Der Künstler zeichnete bisher
mehrere Hundert Variationen davon, per Zufallsgenerator bestimmt, mit
indischer Tusche auf handgeschöpftes tibetisches Papier. Jede Zeichnung
ist einzigartig, datiert und vom Künstler signiert. Mit einer
Selbstverständlichkeit auf “Das Kapital” von Karl Marx verweisend, ist
der Preis für jede Arbeit auf exakt 1.000 Euro fixiert. Dabei ist der
Erwerber aber erneut einer willkürlichen Ordnung ausgesetzt, denn keine
der Arbeiten kann selbstbestimmt “ausgewählt” werden. Ein zuvor
bestimmtes Zufallsprinzip lost jedem Interessenten ein Werk zu.
Die
Ambiguität zwischen serieller, sprich mechanischer Produktion und
handwerklicher Erzeugung spielt mit Ideen von Ausbeutung durch Arbeit
und Massenproduktion. Der Einsatz des Computers für die Bildfindung und
des aleatorischen Prinzips für den Kauf forciert die Kritik auf
zeitgenössische Produktions- und Verwertungssysteme. Gleichzeitig ist
jedes einzelne Blatt ein handgemachtes Unikat und somit von anderer,
höherer Wertigkeit, zumindest für den Kunstmarkt. Nasan Tur erzeugt
diese Reibungsfelder bewusst, ohne den Betrachter mit einer brutalen
Anschauung zu konfrontieren.
In his works, Nasan Tur negotiates the social conditions of artistic
creation and addresses contemporary political-economic conditions. An
essential starting point for his work is language, especially in
“Variationen von Kapital”: The ongoing series from 2013 is shown again
and again. The context does not vary as the walls of galleries always
serve as presentation areas. The serial production of the work makes it
possible to market a set-up as a “site-specific installation” every time
– which is factually true due to the different wall sizes.
Nevertheless, the approx. 800 existing unique pieces appear to be
identical. This is an ironic staging whose nature is captured in the
essence of Tur’s work.
Around 170 of the more than 800 drawings
are installed at KOENIG2. 800 is not a symbolic number, but a status
quo: Nasan Tur has had over 41,000 written variations of the word
capital identified by a programmed algorithm, which sound phonetically
like “capital”. So far, the artist has drawn several hundred variations
of it, randomly determined, with Indian ink on hand-made Tibetan paper.
Each drawing is unique, dated and signed by the artist. Implicitly
referring to “Das Kapital” by Karl Marx, the price for each work is
fixed at exactly 1,000 euros. However, the buyer is again exposed to an
arbitrary order, because none of the works can be self-determinedly
“selected”. A previously defined random principle assigns a work to
every interested party by lot.
The ambiguity between serial, i.e.
mechanical production and handicraft plays with ideas of exploitation
through work and mass production. The use of the computer for the
conception of an image and the aleatoric principle for the purchase
forces the criticism on contemporary production and utilization systems.
At the same time every single sheet is a handmade unique piece and
therefore of a different, higher quality, at least for the art market.
Nasan Tur deliberately creates these frictions without confronting the
viewer with brutal aesthetics.