Ein barocker Himmel über Los Angeles, dramatisches Licht, hochaufgetürmte Wolkenformationen: alle Anzeichen für einen herannahenden Sturm. Die zentrale Wand von KOENIG2 wird zur dystopischen Kulisse für die Arbeiten von Felix Kultau (geb. 1984 in Hanau, lebt und arbeitet in Berlin). Für seine erste Einzelausstellung in Wien präsentiert Felix Kultau eine Melange seiner meist seriell fortlaufenden Arbeiten. Im kompakten Ausstellungsraum oszillieren sie zwischen selbstreferenziellen kalten objet trouvé und narrativer warmer Sinnlichkeit. Es sind Objekte, die beinahe ohne Künstler auskommen und für sich alleine, im Kontext des White Cube eine gesellschaftskritische Dynamik ausstrahlen. Dennoch zieht sich ein haptisches Moment durch, das sich in Wunden, Kratzern und Flecken äußert – die Geschichte des Werkes, seiner Transporte, Ausstellungen, Lagerungen, aber auch der Handschrift des Künstlers.
Das dunkle Himmelsvorzeichen des Wallpapers beschränkt sich aber nicht ausschließlich auf den aktuellen politischen wie ökologischen Schrecken in den USA, sondern schwebt als allgemein gültiges Unheil über unseren Köpfen. Der Titel „Bad Engine“ könnte dabei durchaus auf einen solchen Katastrophenspiegel verweisen: die Abgase, die durch Automotoren erzeugt werden und unsere Atmosphäre verschmutzen oder auch als Metapher auf ein in der Gesellschaft als Prokrastination legitimiertes Motivationsproblem. Vielmehr ist die Bezeichnung aber eher ein kleines Augenzwinkern, ein Verweis auf die Atmosphäre in der Ausstellung und ebenso wenig deskriptiv wie die Namen mancher Möbelhausprodukte. Mit derselben Nonchalance geht Kultau an manche seiner Arbeiten heran. Auf Muscle Beach in Santa Monica verweisen in Beton abgegossene Protein Shake Behälter, aus denen Chromstangen erwachsen: Beides Nebenakteure in Dramen, die Sportwahn und Striptease vereinen. Gates sind hingegen Fragmente von Schiffscontainern, denen durch Übermalung oder teilweise textile Zusätze ihre normative Erscheinung entzogen wird.
Felix Kultaus Arbeiten definieren sich nicht durch eine Medienfixierung. Die über Jahrhunderte gültigen Labels von Malern, Bildhauern, Fotografen etc. lösen sich in seiner und der Praxis vieler anderer KünstlerInnen seiner Generation zugunsten neuer inhaltlicher wie emotionaler Impulse auf. Einzig über das Material lassen sich Schlussfolgerungen über die Vielschichtigkeit seiner Anliegen ziehen.
Hinter seiner Serie von Leuchtkästen steckt zum Beispiel der
universelle Gedanke Displays ihrem Inhalt zu berauben, sie förmlich zu
entblößen, um den Blick der Gesellschaft für deren manipulativen
Charakter zu sensibilisieren. Sie werden nach Magdalena Kröner zu
„Sehnsuchtsdisplays“ oder gar “Begehrensmaschinen“. Ersteres ist eine
treffende Beschreibung ihrer affektiven Überführung des Habenwollens
(nach Wolfgang Ullrich), einer unersättlichen Begierde in unseren
liberalen Konsumkapitalismen. Dabei bleibt jedoch die räumliche
Dimension der Objekte außen vor. Sie bleiben nicht in der
Zweidimensionalität verhaftet wie vorbildhafte Werbedisplays,
Handyscreens, Spiegeln oder Plakatflächen. Der zweite Begriff von
Begehrensmaschinen kommt seinem Stellenwert als Generator näher und
öffnet, gerade in einem Bauhausjahr, die Assoziation zu
disziplinübergreifendem Arbeiten wie zu architektonischen Dogmen: u.a.
zur Wohnmaschine Le Corbusiers. In Serie produziert und nach der
größtmöglichen Wirtschaftlichkeit strebend, sind die Unités d’Habitation
wie Kultaus Arbeiten von einer inhärenten Manipulation industrieller
Massenware geprägt.
(Andrea Kopranovic, 2019)