Joe Goulds Geheimnis von Joseph Mitchell, 1964
Ich habe diese Gouache auf Papier angefertigt, nachdem ich Joseph Mitchells Erzählung gelesen habe, die in New York spielt und angeblich eine wahre Geschichte ist.
Ich stehe nachts am Fenster, starre auf ein geparktes Auto und denke an alles und nichts. Gedankenverloren, wie so oft im Dunkeln.
Mitchell schreibt über seine nächtlichen Treffen mit Joe Gould, der nicht nur eine Harvard-Ausbildung hatte, sondern wie ein Penner aussah und auch wie ein Penner lebte. Dieser Gould behauptet, er habe eine »Zeitzeugengeschichte« geschrieben, die auf Gesprächen basiere, die er zufällig mitgehört habe, obwohl Mitchell nie herausfindet, ob die vielen Bände, die es angeblich davon gibt, überhaupt existieren. Es waren immer zufällige Begegnungen der beiden bei Nacht.
Beim Lesen dieses Buches erinnerte ich mich an für mich schicksalshafte Nächte. 1967, im Alter von 16 Jahren, besuchte ich die Kunstschule in Tunbridge Wells, Kent und hatte das Glück, mit Peter Hickman befreundet zu sein, der etwas älter war als ich. Oft blieben wir die ganze Nacht bis zum Sonnenaufgang wach, zeichneten in unseren schwarzen Bushey-Skizzenbüchern, hörten Musik und tranken Tee. Die Marke des Skizzenbuchs, die er mir zeigte, erschien mir wichtig, wie eine Absichtserklärung für die Zukunft.
Für diejenigen, die sie erleben, ist die tiefe Nacht etwas ganz Besonderes, ein geheimer Club mit sehr wenigen Mitgliedern. Ich liebte diese nächtlichen Stunden, obwohl ich heute nicht mehr so lange wach bleibe, weil ich das Tageslicht zum Mischen von Farben brauche, was meine “Hauptbeschäftigung” ist.
Im Rückblick realisiere ich, dass ich mit meinem Schulfreund Peter zum ersten Mal der Besessenheit begegnet bin. Diese Momente passierten mir damals nachts in Sussex, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.
Es bestärkte mich in meiner Entschlossenheit, das fortzusetzen, was ich die ersten 16 Jahre gemacht hatte, nämlich Künstler zu sein, ohne jedoch zu wissen, dass ich das war. Kunstambitioniert könnte man sagen. Ich hatte Glück – ich war fast chronisch ohne Job und konnte schlecht im Team arbeiten – denn ich war Künstler.
Ich habe Joe Goulds Geheimnis viele Jahre später gelesen… und das war ein Echo.
(Humphrey Ocean, August 2024, London, Übersetzung von Eva Dewes)
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Joe Gould’s Secret by Joseph Mitchell, 1964
If you were wondering, I made this gouache on paper after reading Joseph Mitchell’s consequential tale set in New York, a true account. I am at a window gazing down at a car, in the street, at night. Nothing else. Mitchell writes about his nocturnal meetings with the tramp Joe Gould who, as well as being Harvard-educated, “… looked like a bum and lived like a bum.” Gould claims to be writing “An Oral History” of life in his time based on overheard conversations, though whether the many volumes he says it runs to even exist, Mitchell never discovers. For me the book really concerns random inconsequential encounters at night, the kind that can mean very little and then, out of the blue, one of them changes your life. I was reminded when I read it of when, aged sixteen in 1967, I went to art school in Tunbridge Wells and had the good fortune to befriend a boy a bit older than me, Peter Hickman. We would stay up all night till sunrise drawing in our black Bushey books, listening to music and drinking tea. The brand of sketchbook he introduced me to seemed important, a statement of intent. The middle of the night, for those that experience it, is quite something, a secret club with very few members. I love that time though now I stay up less because I like daylight for mixing up colour which is mainly what I do. Looking back I realise it was in Peter I first encountered obsession. More than anything it made me determined to continue what I had been doing for those first sixteen years, being an artist but not quite knowing that was what I was. Ambitious for art, you could say. I certainly wasn’t anything else and I will still do almost anything to live like that. I have been lucky, helped considerably by being almost chronically unemployable and poor at teamwork. But that moment happened for me, at night, in the middle of nowhere, in Sussex. I read Joe Gould’s Secret many years later… and that was an echo.
(Humphrey Ocean, August 2024, London)